Eine längere Diskussion gestern Abend mit einem Piraten aus Bayern und einigen SH-Piraten im #Sonnendeck im Mumble hat mir mal wieder gezeigt, wie frontal verschiedene Ansichten bei den Piraten aufeinander treffen. Aber vor allem hat sie mir gezeigt, dass der Weg zum Ziel ebenso wichtig ist.
Als Aufhänger für die Diskussion diente das Thema Stiftungen. In der Diskussion vertrat der junge Diskutant die Ansicht, dass die Partei sich dringend “Professionalisieren” müsse; und eine parteinahe Piratenstiftung könne helfen eine “Waffengleichheit” herzustellen.
Wenn ich mit Menschen rede, so versuche ich immer neben dem Vordergründigen auch den Kern zu erfassen. Die meisten Menschen verfolgen Ihre Agenda (ich auch). Wir alle machen Dinge nicht nur weil wir daran glauben, sondern auch weil wir eigene Ziele damit erreichen wollen. Das passiert je nach Mensch entweder bewusst oder unbewusst, aber es passiert.
Ich bin für eine Professionalisierung der Parteiarbeit. Keine Frage. Wer nicht?
Aber wenn ich das Auftreten derer betrachte, die mit mir über so etwas diskutieren wollen, beschleichen mich Zweifel. Zweifel daran, wie viele Grundwerte wir für Ziele zu opfern bereit sind. Zweifel daran, ob das Bild der Piratenpartei, welches ich hatte, bei diesen Menschen überhaupt existiert. Aber weil mein Gesprächspartner schon lange in der Partei ist, beschleichen mich auch Zweifel, ob ich die Partei jemals ohne meine rosa-rote idealistische Brille betrachtet habe.
Hier sind zwei Gründe:
- Auftreten
Wenn ich andere von meiner Meinung überzeugen will, sollte ich sie dort abholen, wo sie inhaltlich stehen. Wenn ich sie anpöble, disqualifiziere und am besten noch beleidige, erreiche ich nicht mein Ziel – es sei denn: Das Ziel ist es gar nicht, den eigentlichen Gesprächspartner zu überzeugen, sondern ein bestimmtes Bild von sich selbst an die Zuhörer zu übermitteln. Das Bild eines “Machers”, eines geborenen “Führers”, eines kompetenten, wählbaren Menschen…
Diese Art des Auftretens ist es, welches ich an Politikern abstoßend finde. Es ist diese Art, die mich wegschalten lässt, wenn politische Talkshows im Fernsehen angeboten werden. Es ist diese Art, sich nicht mit Inhalten, sondern mit Darstellung zu beschäftigen, die ich hoffte, bei den Piraten nicht zu finden. Hierfür habe ich von einem Piraten ein schönes Wort gelernt: “Poser”.
Eine Technik hierfür ist zum Beispiel immer wieder Andere zu unterbrechen, aber sobald man selbst unterbrochen wird lautstark den Unterbrecher zurechtzuweisen. Eine andere Technik ist es, die Sachebene der Diskussion zu verlassen und jeden Abweichler, Zweifler mit allgemein wenig erstrebenswerten Attributen zu belegen (“das ist rückständig”, das ist “unpiratig” – und wer will das schon sein?). Eine weitere Technik ist das “gekonnte” Zitieren von Statistiken, wichtigen Wissenschaftlern oder gefühlt-guten Politikern, um die eigene Kompetenz zu unterstreichen.
- Ausflüchte
Ich bin gestern in der Diskussion von einer Flucht, einem Rückzugargument überrascht worden, welches tiefgründiger ist, als zunächst erkennbar war. Der Aussage nämlich, das Gespräch mit mir diene nur dem Testen des eigenen Auftretens und der Anpassung der eigenen Argumente. Diesen Hinweis an den Anfang einer Diskussion zu platzieren wäre fair und glaubwürdig.
Fatal aber ist es, den Hinweis erst zu bringen, nachdem man sich mehrere sprachliche Entgleisungen erlaubt hatte (u.a. anwesende Piraten mit der RAF zu vergleichen). Diese Art der Ausflüchte zeigen den wahren Kern des Gesprächspartners. Es zeigt, dass man sich für sprachliche Entgleisungen nicht entschuldigen möchte und dass man sich der Gesamtsituation so überlegen fühlt, dass der Gegenüber dankbar sein sollte, dass man sich überhaupt mit ihm beschäftigt. Es zeigt eine Respektlosigkeit gegenüber dem (unbekannten) Gesprächspartner, die in meinen Augen zur weiteren Diskussion disqualifiziert.
Was das mit dem Wolpertinger zu tun hat?
Ich dachte, die gibt’s gar nicht…